Sommerzeit ist Eiszeit – und viele erinnern sich an das Gefühl, an heißen Tagen genüsslich eine Kugel Eis zu schlecken. In deutschen Städten gehören Eisdielen seit langem zum Straßenbild. Nicht selten tragen sie klangvolle Namen wie Venezia oder Dolomiti und werden von italienischen Familien geführt. Dieses italienische Flair weckt die Frage: War Speiseeis schon immer eine Domäne der Italiener, oder ist das lediglich ein Trend und eine Frage der Wahrnehmung? Und wie fand das italienische Eis überhaupt seinen Weg nach Deutschland? Im Folgenden begeben wir uns auf eine Zeitreise von den ersten gefrorenen Köstlichkeiten der Antike bis zur Entwicklung der Eisdielen-Kultur in Deutschland – sachlich, aber hoffentlich ebenso unterhaltsam.
Uralte Wurzeln der Eisköstlichkeit
Die Geschichte des Speiseeises beginnt lange vor den ersten italienischen Gelaterien. Bereits vor Jahrtausenden genoss man gekühlte Leckereien in verschiedenen Kulturen. Vor über 3000 Jahren mischten die Chinesen Schnee mit Früchten und Honig. Auch im antiken Persien und Griechenland kannte man Schneegetränke zur Abkühlung, und Kaiser Nero ließ im alten Rom Schnee von den Bergen holen, um ihn mit Obst und Honig zu einem sorbetartigen Dessert zu vermengen.
Mit dem Niedergang des Römischen Reiches geriet das Wissen um diese eisgekühlten Speisen zunächst in Vergessenheit. Erst durch arabische Einflüsse im Mittelalter kehrten die Rezepte zurück nach Europa. Der Venezianer Marco Polo soll im 13. Jahrhundert eine Methode zur Eisherstellung aus China mitgebracht haben – belegt ist das jedoch nicht. Sicher ist: In der Renaissance erfreuten sich gefrorene Süßspeisen wachsender Beliebtheit.
Italien als Wiege der Eiskultur
Im 16. Jahrhundert avancierte Italien zum Zentrum der Speiseeis-Kunst. Die Granita – Wassereis mit Fruchtsaft – wurde zur italienischen Spezialität. Ein erstes schriftliches Rezept für Milcheis stammt aus dem Jahr 1306 aus einem neapolitanischen Kloster. Italienische Köche experimentierten mit Zucker, Schnee, Zitrone und Milch.
Der Sizilianer Francesco Procopio de’ Coltelli eröffnete um 1660 in Paris das Café Procope – das erste europäische Café mit Speiseeis. Noch war Eis ein Luxusgut für Adlige, doch technische Fortschritte (wie die Eisherstellung mit Salzmischung) ermöglichten eine breitere Verfügbarkeit.
Auch in Deutschland gab es frühe Eisrezepte: 1597 veröffentlichte Anna Wecker ein Rezept für „eisgekühlten Milchrahm“ – eine frühe Form des Milcheises.
Die Verbreitung in Europa und Deutschland
Im 18. und 19. Jahrhundert wurde Eis vom Luxusgut zum Massenprodukt. Besonders in Italien entwickelten sich Handwerk und Technik der Eisherstellung rasant. In den USA entstand 1843 die erste Eismaschine, in Europa blieben Eismacher meist Handwerker.
In deutschen Städten wurde Eis im 19. Jahrhundert vor allem von Straßenhändlern, Konditoreien und Milchgeschäften verkauft. Die erste bekannte deutsche Eisdiele entstand 1799 im Hamburger Alsterpavillon – betrieben von einem Franzosen.
Die italienische Eisdiele kommt
Richtig populär wurde Eis in Deutschland durch italienische Einwanderer. Viele stammten aus den Dolomiten (Val di Zoldo, Cadore) und suchten ab Mitte des 19. Jahrhunderts ihr Glück im Ausland. Erste italienische Eismacher eröffneten ab 1890 kleine Eiscafés, wie etwa die Familie Galeazzi 1896 in Harburg.
Diese Pioniere verkauften Eis aus Kühltruhen mit Eisblöcken – oft nur vier Sorten: Erdbeere, Zitrone, Vanille, Schokolade. In den 1920er-Jahren begann der Aufstieg der italienischen Eisdiele in Deutschland.
Die goldenen Jahre: Nachkriegszeit und Wirtschaftswunder
Nach dem Zweiten Weltkrieg boomte das Geschäft. Zahlreiche italienische Familien kamen erneut nach Deutschland und eröffneten Eiscafés – oft nur im Sommer, im Winter ging es zurück in die Heimat. Das Dolce Vita hielt Einzug: Sonnenschirme, Terrassentische und südländisches Flair verzauberten die Gäste.
Die Bezeichnung Eisdiele soll von den Brettern stammen, die Kinder vor Fensterverkaufsstellen legen mussten, um an das Eis zu kommen – oder von den schmalen, flurähnlichen Verkaufsräumen der ersten Cafés.
Spaghetti-Eis und neue Trends
Eine besonders kreative Erfindung ist das Spaghetti-Eis – Vanilleeis durch die Presse gedrückt, mit Erdbeersoße und weißer Schokolade. Diese Idee stammt von Dario Fontanella, der es 1969 in Mannheim kreierte.
Eisdielen wurden Treffpunkte für Jung und Alt, mit Klassikern wie Stracciatella oder Coupe Dänemark. Heute gibt es in Deutschland rund 5.500 Eisdielen – etwa 3.000 davon in italienischer Hand, oft mit Wurzeln in Venetien.
Fazit
War Eis schon immer italienisch geprägt? Nicht ganz – viele Kulturen kannten gefrorene Desserts. Doch Italien wurde zum kulturellen Nukleus der Eiskunst. Italienische Gelatieri trugen das Handwerk nach Deutschland und schufen eine Tradition, die bis heute lebendig ist.
Für viele Senioren ist die Eisdiele ein Stück Kindheit und Erinnerung an die Zeit des Aufschwungs. Ob als Kugel für 10 Pfennig oder im Spaghetti-Eis – Speiseeis ist Genuss, Nostalgie und ein Zeichen für die deutsch-italienische Freundschaft. Und während neue Trends kommen und gehen, bleibt eines sicher: Die klassische Eisdiele hat ihren festen Platz im Herzen vieler Generationen.
Guten Appetit – oder auf Italienisch: Buon appetito!
Quellen:
Viele der genannten historischen Fakten stammen aus der Fachliteratur und Presse. Beispielsweise schildert die Wikipedia ausführlich die Geschichte des Speiseeisesde.wikipedia.orgde.wikipedia.org und der Eisdielen de.wikipedia.orgde.wikipedia.org.
Ein detaillierter Zeitstrahl findet sich bei Krämer (2023) krae-eistechnik.dekrae-eistechnik.de.
Zur Rolle der Dolomiten-Italiener und der Verbreitung der Eisdielen in Deutschland liefern Bettina Gabbe (2011) evangelisch.deevangelisch.de und das DOMiD-Museum domid.org wertvolle Einblicke.
Auch zeitgenössische Berichte – etwa im Hamburger Abendblatt abendblatt.de oder in der ZEIT zeit.de – beleuchten, wie Speiseeis vom Luxusgut zum Massenliebling wurde. Diese und weitere Quellen untermauern die faszinierende Reise des Speiseeises von der Vergangenheit bis in unsere Gegenwart.
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